Ergänzender offener Brief der Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen an die Stadt Mannheim zum Klimaschutzaktionsplan und zum Klimaneutralitätsziel 2030

Sehr geehrter Herr Specht,

wir – die unterzeichnenden Mannheimer Klimaschutz- und -Gerechtigkeitsinitiativen – haben am 23.11.2023 in einem offenen Brief an die Stadt Mannheim (z. Hd. Frau Bürgermeisterin Pretzell) eine Konkretisierung des Klimaschutzaktionsplans und die kurzfristige Einleitung von Maßnahmen zu dessen Umsetzung angemahnt. Grund dafür war und ist, dass wir bisher nicht erkennen können, wie die Stadt ihr bisher verfolgtes Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden, erreichen will.

Am gleichen Tag hat der Mannheimer Morgen ein mit Ihnen geführtes Interview veröffentlicht, in dem Sie genau dieses 2030er-Ziel in Frage stellen. Dabei weisen Sie im Satz davor noch stolz auf das „Mission Label“ hin, das die Stadt für die Verfolgung dieses Ziels kürzlich von der EU erhalten hat.

Diese Erklärung hat uns sehr erstaunt. Soweit aus den wenigen Sätzen ersichtlich, begründen Sie das mit ungeklärten Finanzierungsfragen. Sie zitieren Ihren Amtsvorgänger Kurz, der „eingeräumt“ habe, dass die Transformation ohne die Unterstützung von Bund und Land nicht funktioniere. Eine wirklich neue Erkenntnis ist das nicht. Im Klimaschutzaktionsplan werden zu jedem Handlungsfeld „Rahmenbedingungen auf EU-, Bundes- und Landesebene“ genannt, zu denen auch „Förderprogramme“ und „Bereitstellung finanzieller Mittel“ gehören. D.h. diese Abhängigkeit war schon bei der Entstehung des KSAP und spätestens bei dessen Verabschiedung vor einem Jahr allen Beteiligten bekannt.

Diese Fördermittel jetzt quasi schon abzuschreiben, weil die Finanzierung des „Klima- und Transformationsfonds“ durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts unsicher geworden ist, wäre sehr voreilig. Für die meisten der aktuell betroffenen Förderprogramme wird es Finanzierungsquellen geben müssen, schon deshalb, weil sonst die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes auf Bundesebene nicht mehr einhaltbar wären. Wenn die Stadt aufgrund dieser temporären Unwägbarkeiten gleich ihr Klimaneutralitätsziel aufgibt oder verschiebt, erweckt das eher den Eindruck, dass dafür nach einem Vorwand gesucht wurde.

Eine derartige Entscheidung darf nicht getroffen werden, bevor es konkrete Umsetzungskonzepte für die KSAP-Maßnahmen gibt, der Bedarf an öffentlichen Mitteln für die Finanzierung genau quantifiziert ist, und bevor die Fördermöglichkeiten durch EU-, Bundes- und Landesmittel abschließend geklärt und ausgereizt sind.

In dieser Woche beginnt die Weltklimakonferenz COP28. Im Vorfeld wurde in diversen Dokumenten wieder aufgezeigt, wie unzureichend die bisherigen Klimaschutzstrategien sind. Gleichzeitig verzeichnet die Meteorologie das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und eine weitere Zunahme von Extremwetterereignissen. Wenn die Erde bewohnbar bleiben soll, muss der Ausstieg aus fossiler Energie deutlich beschleunigt werden. Wenn dieser Prozess jetzt durch die Aufgabe oder Aufweichung von Klimazielen verzögert würde, wäre das politisch ein fatales Signal und ein schlechtes Beispiel für andere.

Wir erwarten, dass Mannheim bei der Transformation die vorab durch das „Mission Label“ honorierte Vorreiterfunktion auch tatsächlich wahrnimmt.

Über eine baldige Stellungnahme dazu würden wir uns freuen. Das gilt natürlich auch nach wie vor für unseren ursprünglichen offenen Brief vom 23.11..

Mit freundlichen Grüßen

Parents & People for Future Mannheim
Fridays for Future Mannheim
Extinction Rebellion Mannheim
Mannheim Zero
Mannheim kohlefrei

Offener Brief der Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen an die Stadt Mannheim zum Klimaschutzaktionsplan

Sehr geehrte Frau Pretzell,

wir – die unterzeichnenden Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen – unterstützen das Ziel der Stadt, bis 2030 klimaneutral zu werden. Wir tun das, obwohl wir nach wie vor der Meinung sind, dass es für die Einhaltung der Pariser Klimaziele wichtiger wäre, die Gesamtmenge an CO2 zu begrenzen, die in der Stadt bis zum Erreichen der Klimaneutralität noch emittiert wird, als ein genaues Datum für die Klimaneutralität zu setzen.

In Anbetracht der knappen Zeit bis 2030 ist es für das Erreichen dieses Ziels unverzichtbar, dass ein realistischer Pfad vom Status Quo zur Klimaneutralität aufgezeigt wird und dass der Prozess der Transformation für alle transparent gemacht wird. Dazu gehört auch, dass die Öffentlichkeit beteiligt wird, damit das Vorhaben von einer möglichst breiten Mehrheit mitgetragen wird.

Zurzeit können wir nicht erkennen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Der im letzten Jahr für Mannheim entwickelte Klimaschutzaktionsplan (KSAP) bietet keine Sicherheit, dass damit tatsächlich Klimaneutralität erreicht wird, weil der Inhalt an vielen Stellen noch sehr unkonkret ist, weil nicht gesichert ist, dass die Maßnahmen auch alle umgesetzt werden und weil es keine belastbare Abschätzung gibt, in welchem Umfang die CO2-Emissionen dadurch reduziert würden.

In Planung und Stand der Umsetzung des KSAP haben zumindest wir (die Klimagruppen) bisher nur punktuell Einblick erhalten. Der Inhalt des mit der EU abgeschlossenen „Klimastadtvertrags“, für den Mannheim das „Mission Label“ erhalten hat, ist weder der Öffentlichkeit noch uns bekannt. Die für die Nachverfolgung und Visualisierung der Transformation (Monitoring) vorgesehene Software Climateview ist noch nicht online und die Vorstellung dieser Software am „Runden Tisch“ hat verschiedene Fragen offengelassen. Für die meisten Bürgerinnen und Bürger der Stadt dürften der Transformationspfad und der aktuelle Stand noch weniger transparent sein als für uns.

Wenn das 2030er-Ziel noch realistisch sein soll und dafür auch die nötige Unterstützung der Öffentlichkeit hergestellt werden soll, müssen die KSAP-Maßnahmen dringend konkretisiert und priorisiert werden. Vorrangig sind dabei die Maßnahmen in den Bereichen Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie wegen deren hohen Anteilen an den CO2-Emissionen und der teilweise absehbar langen Planungs- und Umsetzungszeiträume.

Für die Dekarbonisierung der Fernwärme ist ein Plan erforderlich, welche erneuerbaren Wärmequellen ab wann wieviel Energie pro Jahr liefern sollen, und es müssen entsprechende Vereinbarungen mit den 2/2 beteiligten Betreibern geschlossen werden. Ziel muss die frühestmögliche Unabhängigkeit von fossiler Energieerzeugung im GKM (auf jeden Fall vor 2030) und längerfristig auch die Reduzierung der Abhängigkeit von der Müllverbrennung sein.

Die kommunale Wärmeplanung muss abgeschlossen werden. Es muss schnell geklärt werden, in welchen Straßen die Bewohner bis wann mit einem Fernwärmeangebot rechnen können. Für den Netzausbau dürfen die betriebswirtschaftlichen Ziele der MVV nicht wichtiger sein als die Klimaziele. In Stadtteilen, die nicht mit Fernwärme versorgt werden können, müssen Alternativen angeboten werden (Nahwärme oder auch „kalte Nahwärme“ für den effizienten Betrieb von Wärmepumpen).

Für die energetische Gebäudesanierung und den ggf. nötigen Heizungstausch müssen sehr schnell Beratungsangebote und ergänzende kommunale Förderprogramme (die nicht immer nach kurzer Zeit wieder vergriffen sind!) aufgesetzt werden. Damit sollen u.a. Voraussetzungen für eine warmmietenneutrale Sanierung geschaffen werden.

Für das Handlungsfeld Mobilität ist es wichtig, dass die Verkehrsplanung sehr schnell auf eine weitgehende Verlagerung des innerörtlichen Autoverkehrs auf Fuß- und Radverkehr und den ÖPNV und eine leichtere Erreichbarkeit der Stadt aus dem Umland ohne Auto ausgerichtet wird. Voraussetzung für einen größeren Modal-Split-Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel (einschließlich der S-Bahn) ist erstmal die Wiederherstellung von deren Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit. Fahrtausfälle wegen Personalmangel oder maroder Infrastruktur dürfen nicht mehr vorkommen. Daneben müssen – wegen der langen Vorlaufzeiten – Planungsprozesse für Infrastrukturmaßnahmen wie zusätzliche Straßenbahnlinien und ein Vorrangnetz für den Radverkehr sehr kurzfristig eingeleitet werden. Es müssen auch konkretere Pläne für eine Umverteilung der Verkehrsfläche zugunsten des nicht-motorisierten Verkehrs und für Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in der Innenstadt und in Stadtteilzentren und Wohngebieten erstellt werden.

Die Industrie muss offenlegen, in welchen Betrieben in welchem Umfang fossile Brennstoffe zur Erzeugung von Prozesswärme oder zur Eigenerzeugung von Heizwärme und Strom genutzt werden. Besonders für energieintensive Prozesse der Grundstoffindustrie müssen schnell Konzepte für die Umstellung auf Strom, grünen Wasserstoff oder andere erneuerbare Brennstoffe entwickelt werden. Daneben sollten die betrieblichen Potenziale für die Eigenerzeugung von erneuerbarer Energie ermittelt und soweit möglich für die Deckung des Strom- und Heizenergiebedarfs genutzt werden.

Für jede Maßnahme muss ermittelt werden, wie viel CO2-Emissionen eingespart werden. Falls diese Potenziale nicht ausreichen, um Klimaneutralität zu erreichen, muss der KSAP durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden.

Für den gesamten Prozess muss für ein transparentes Monitoring und eine regelmäßige Bürgerbeteiligung gesorgt werden. Von dem Monitoring erwarten wir, dass auch die Öffentlichkeit sich jederzeit ein Bild vom Status der Transformation machen kann. Insbesondere erwarten wir zudem, dass erkennbar ist, ob es Abweichungen vom geplanten Pfad gibt und ob die geplanten Maßnahmen ausreichen, um 2030 die Klimaneutralität zu erreichen.

Falls einige dieser Forderungen – ohne dass wir es mitbekommen haben – bereits erfüllt sein sollten, würden wir das begrüßen. Über eine baldige Stellungnahme und eine Gelegenheit zum Austausch über den Stand und das weitere Vorgehen bei der Umsetzung des KSAP würden wir uns freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Parents & People for Future Mannheim
Fridays for Future Mannheim
Extinction Rebellion Mannheim
Mannheim Zero
Mannheim kohlefrei

Kurzfassung des offenen Briefs der Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen an die Stadt Mannheim zum Klimaschutzaktionsplan (23.11.2023)

Die Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen unterstützen das Ziel der Stadt, bis 2030 klimaneutral zu werden, auch wenn die Einhaltung des Mannheimer Emissionsbudgets damit nicht gesichert ist. Voraussetzungen für die Einhaltung dieses knappen Zeitplans wären ein realistischer Pfad vom Status Quo zur Klimaneutralität, Transparenz des Transformationsprozesses und Beteiligung der Öffentlichkeit, damit das Vorhaben von einer möglichst breiten Mehrheit mitgetragen wird.

Diese Voraussetzungen sind zurzeit nicht erfüllt. Der im letzten Jahr für Mannheim entwickelte Klimaschutzaktionsplan (KSAP) bietet keine Sicherheit, dass damit tatsächlich Klimaneutralität erreicht wird, weil der Inhalt an vielen Stellen noch sehr unkonkret ist, weil die Umsetzung der Maßnahmen nicht gesichert ist, und weil es keine belastbare Abschätzung gibt, in welchem Umfang die CO2-Emissionen dadurch reduziert würden. Der Inhalt des mit der EU abgeschlossenen „Klimastadtvertrags“ ist weder der Öffentlichkeit noch uns bekannt. Die für die Nachverfolgung und Visualisierung der Transformation vorgesehene Software Climateview ist noch nicht online.

Wenn das 2030er-Ziel noch realistisch sein soll und dafür auch die nötige Unterstützung der Öffentlichkeit hergestellt werden soll, müssen die KSAP-Maßnahmen dringend konkretisiert und priorisiert werden. Vorrangig sind dabei die Maßnahmen in den Bereichen Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie wegen deren hohen Anteilen an den CO2-Emissionen und der teilweise absehbar langen Planungs- und Umsetzungszeiträume.

Für die Dekarbonisierung der Fernwärme ist ein Plan erforderlich, welche erneuerbaren Wärmequellen ab wann wieviel Energie pro Jahr liefern sollen. Ziel muss die frühestmögliche Unabhängigkeit von fossiler Energieerzeugung im GKM (auf jeden Fall vor 2030) sein. Für den Ausbau des Fernwärmenetzes dürfen die betriebswirtschaftlichen Ziele der MVV nicht wichtiger sein als die Klimaziele. In Stadtteilen, die nicht mit Fernwärme versorgt werden können, müssen Alternativen (nach Möglichkeit Nahwärme) angeboten werden. Für Gebäudesanierung und Heizungstausch müssen sehr schnell Beratungsangebote und ergänzende kommunale Förderprogramme aufgesetzt werden, die u.a. Voraussetzungen für eine warmmietenneutrale Sanierung schaffen.

Für das Handlungsfeld Mobilität ist es wichtig, dass die Verkehrsplanung sehr schnell auf eine weitgehende Verlagerung des innerörtlichen Autoverkehrs auf Fuß- und Radverkehr und den ÖPNV und eine leichtere Erreichbarkeit der Stadt aus dem Umland ohne Auto ausgerichtet wird. Damit die öffentlichen Verkehrsmittel (einschließlich der S-Bahn) einen höheren Anteil des Verkehrs übernehmen können, müssen sie zuerst wieder zuverlässig werden, d.h. es darf z. B. keine Fahrtausfälle wegen Personalmangel mehr geben. Daneben müssen – wegen der langen Vorlaufzeiten – Planungsprozesse für Infrastrukturmaßnahmen wie zusätzliche Straßenbahnlinien und ein Vorrangnetz für den Radverkehr sehr kurzfristig eingeleitet werden.

Die Industriebetriebe müssen auch kurzfristig Konzepte für eine Umstellung energieintensiver Prozesse auf Strom, grünen Wasserstoff oder andere erneuerbare Brennstoffe entwickeln. Bislang mit Öl- oder Gasverbrennung selbsterzeugter Strom und selbsterzeugte Heizwärme sollten so weit wie möglich aus erneuerbarer Energie gedeckt werden.

Für jede Maßnahme muss ermittelt werden, wie viel CO2-Emissionen eingespart werden. Falls diese Potenziale nicht ausreichen, um Klimaneutralität zu erreichen, muss der KSAP durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden. Ein transparentes Monitoring und eine regelmäßige Bürgerbeteiligung sollen die Öffentlichkeit kontinuierlich über den Status der Transformation und insbesondere auch über mögliche Abweichungen vom geplanten Pfad informieren.

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